Zeichner aus Gera und dem Rest der Welt

 



Die Ausstellung „Anonyme Zeichner“ in Berlin entkoppelt Kunst und Künstler

Von Angelika Bohn

Aus 2000 Einsendungen aus Deutschland und vielen Ländern der Welt haben die Berliner Künstlerin und Projektgründerin Anke Becker und das Künstlerduo Reinert/Hinsberg 600 Zeichnungen ausgewählt. Natürlich erfolgt die Auswahl anonym. Die Zeichnungen  hängen nun, zu inhaltlichen Blöcken geordnet, in den großen Wandnischen der Galerie im Körnerpark Berlin.

 Die Schau „Anonyme Zeichner“ lockt nicht mit bekannten Namen, sondern entkoppelt Kunst und Künstler. Herausgefordert wird allein das Urteil des Betrachters. Ist das Kunst? Oder kann das weg? Kann das mein fünfjähriger Enkel besser oder ist der ungelenke Strich Absicht? Ist der Zeichner ein Witzbold, ist er überhaupt ein Künstler, also jemand, der an einer einschlägigen Hochschule studiert hat? Falls ja, muss er dort übrigens nicht unbedingt Zeichnen gelernt haben.

„Anonyme Zeichner“ ist Konzeptkunst und Ausstellung zugleich. Seit 2006 gibt es das Projekt, das von Jahr zu Jahr größere Kreise zieht. Bis Erfurt, wie ein bereits aufgedeckter Name belegt, bis Gera, wo ebenfalls  anonyme Zeichner zu Hause sind.

Bei „Anonyme Zeichner“ werden alle vermeintlichen Gewissheiten über Kunst ausgeblendet. Die Grenze zwischen Kunst und Nicht-Kunst ist fließend. Das will offensichtlich  auch die Auswahl deutlich machen, denn beteiligen kann sich jeder. Es gibt  nur eine formale Vorgabe: Die Zeichnung darf das Format A3 darf nicht überschreiten. Sie  darf aber kleiner sein und in einen handelsüblichen Briefumschlag passen. So wird es seit der ersten Ausstellung 2006 in Berlin gehandhabt. Seither waren „Anonyme Zeichner“ auch schon in Basel und Kopenhagen,Zürich, Eindhoven und Leipzig, Braunschweig, Rom, Wien und Rüsselsheim zu sehen.

Immer ist das Prozedere das selbe: Die Arbeiten werden ohne Nennung der Künstlernamen ausgestellt. Der Ausstellung geht ein für alle offener, internationaler Aufruf zum Einsenden von Zeichnungen voraus. Biografie, Alter und Geschlecht der Teilnehmer werden nicht erfragt. Die Teilnahme ist kostenlos. Alle Zeichnungen werden zu einem Einheitspreis von 200 Euro zum Verkauf angeboten. Der Verkauf hebt die Anonymität auf, indem die Zeichnung direkt von der Ausstellungswand genommen und der Name des Künstlers an die Leerstelle auf der
Wand geschrieben wird.

Drei Wochen nach der Eröffnung fehlt Pi mal Daumen ein Zehntel der Zeichnungen. Was ein bisschen schade ist, wüsste man doch gerne, was auf den Blättern zu sehen war. Strichmännchen oder süße Katzen oder akribisch Ausgemaltes? Was nur zeigte die  Arbeit der Frau aus Buenos Aires? Gekauft werden kann jeden Mittwoch und Donnerstag zwischen 17 und 20 Uhr vor Ort, oder online unter www.anonyme-zeichner.de Gezeigt wird die Ausstellung bis 19. September.