Die Last der Welt



Umfassende Werkschau zum 75. Geburtstag des Malers und Zeichners Horst Sakulowski im Panorama Museum Bad Frankenhausen

Von Angelika Bohn

Die große Ausstellung im Panorama Museum Bad Frankenhausen spannt den Bogen von den Anfängen bis zur Gegenwart –  das bedeutet im Fall Horst Sakulowski nicht mehr und nicht weniger als 50 Schaffensjahre.
Fünf Jahrzehnte ist es her, seit der Absolvent der Hochschule für Grafik und Buchkunst 1967 zusammen mit seiner Frau Karin, einer jungen Ärztin, ins ostthüringische Weida zog. Die Sakulowskis, bald darauf zu dritt mit Sohn Rolf, wurden schnell heimisch. Bald schon machte auch der junge Maler von sich reden, mit Gemälden, über die man redete.

Schlüsselwerke, die das Panorama Museum Bad Frankenhausen für die umfassende Werkschau zum 75. Geburtstag des Maler versammelt: „Am Strand“ von 1973, Verneigung vor den verehrten Surrealisten, zu denen der Maler dann doch nicht gehören wird. „Deutschland 1525 – Die Auferstehung“ von 1974, eine Schwangere aufrecht durch verheertes Land schreitend und eben mehr als nur Referenz an den in der DDR als „frühbürgerliche Revolution“ zu seinem 450. Jubiläum gefeierten Bauernkrieg.  Oder  „Alptraum des Diktators“, ein Gemälde, das 1978 von Pinochet aufs Exemplarische zielt und genau trifft, wie man heute sieht.

Horst Sakulowski verweigert sich als junger Maler gewünschten Themen nicht, sofern er sie in sein vom christlichen Saalfelder Elternhaus geprägtes Weltbild aufnehmen kann und er dabei seine ästhetische Form findet. Als mit der politischen Wende 1990 der Künstler nun bitteschön Angebote machen soll, hält der Denker in Weida an dieser Haltung zu Welt und Zeit fest. So heißt die Schau zum 75. in Bad Frankenhausen auch selbstbewusst „Sakulowski. Weltbild“. Der Titel, zwei Paukenschläge, Name und Sachverhalt, statt beschwingtem Blick zurück  strenge Selbstbefragung. Zugleich geht die  Einladung an den Betrachter, den Künstler auf dieser Weltschau zu begleiten.

Nicht, dass die Werkschau nicht auch opulent wäre in ihrer Vielfalt und Vielgestaltigkeit –  spannende Sichtachsen, die delikate Farbigkeit der Gemälde, die feinen Radierungen, dazu die sich Jahr für Jahr immer mehr verdichtenden Zeichnungen: mit nichts mehr als Bleistiftstrichen herbeigezauberte Weltlandschaften,  grandiose Köpfe und Figuren.  Doch die Werkschau auf Malerei, Grafik und Zeichnung ist in erster Linie Bilanz, gezogen vom Künstler selbst, in dessen Hand Auswahl und Konzeption lagen. Deutlich markiert sie die beiden Pole seiner Welt: Erlösung und Vergebung der eine, Versuchung und Verführung der andere.

Nicht alle seiner Schlüsselbildern wandern wie das populäre „Porträt nach Dienst“ von einer thematischen Ausstellung zu nächsten. Derzeit hat es die Kunstsammlung Jena nach Trier ausgeliehen und es ist im Panorama Museum nur im biografischen Teil der Schau als Reproduktion zu sehen.  Spannend nach langer Zeit im Depot ist das Wiedersehen mit der 1980 entstandenen  „Verantwortung“.  Sie gehört der Sammlung des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr in Dresden. Hält das Gemälde, in dem der Künstler ein Sinnbild für den Gewissenskonflikt des Soldaten fand, auch 30 Jahre nach dem Fall der Mauer stand?

Mit der in ihrer ungeschönten Würde so altmeisterlich anmutenden Zeichnung der Mutter aus den 70er Jahren, den Jahrzehnte später in Erinnerung an den Vater, der Uhrmacher war, gezeichneten Landschaften mit Zeitmessern, befragt der Künstler  die Wurzeln seines Weltbilds. 1987 malt er, inspiriert vom Film „Einer trage des anderen Last“ mit „Christophorus“ eines seiner zentralen Bilder. 1990 spannt Horst Sakulowski in „Die Brücke“ den Bogen von Christus über die in den Lagern des 20. Jahrhunderts ermordeten Häftlinge bis zu den Opfern der Securitate. 2008 folgt „Passion“, in der Ausstellung markiert dieses Bild die Mitte, den Mittelpunkt von Werk und Schaffen.  

Immer wieder kreisen seine Zeichnungen um die Frage, was widerführe Christus, dem Verkünder von Nächstenliebe und Toleranz, käme er heute in unsere Welt. Die Zeichnung ist die Technik, der sich der Künstler ab den 90er Jahren forciert zuwendet, in der er seine ästhetischen Mittel verdichtet, in der er als Zeitgenosse und Zeitzeuge der Welt den Spiegel vorhält. Amputierte, verschnürte, verstümmelte Figuren manifestieren sich wie aus dieser Spiegelwelt heraufbeschworen auf dem Papier. Selbstporträts und Köpfe scheinen auf, die  gegen –   im Blatt nie sichtbare – Bedrängnis und Bedrohung verzweifelt anschreien. Aktuell  explodiert „Der Schrei“ jetzt auch in einem Gemälde, denn nach längerer Pause malt Sakulowski wieder –  „Kranke Muse“, „Kranke Erscheinung“, neue, andere, aufregende Fortschreibungen seiner Themen seit 50 Jahren, wieder altmeisterliche Lasurmalerei, wieder diese einmalige Delikatesse der Farben, wieder Grauen und Schönheit.

Eine grandiose Werkschau auf 50 Schaffensjahre eines Künstlers, der unbeirrt seiner Berufung folgt, malend und zeichnend die Welt zu durchdringen. In dieser Auswahl gibt es nichts Beliebiges oder Gefälliges, aber eine ernste Schönheit, die ihre Kraft aus jenem unbeirrten Beharren auf Humanität zieht, dem Horst Sakulowski sich verschrieben hat.

Vernissage Sonnabend, 7. Juli, 16 Uhr, Panorama Museum Bad Frankenhausen, geöffnet bis 21. Oktober. Zur Ausstellung erscheinen eine Katalog sowie eine Arbeitsbiografie „Scherz und Gewissen“, verfasst von Rolf Sakulowski.